Wochenendreise#

Eine Wochenendreise führte in die kleine Stadt Bernburg in Sachsen-Anhalt. Als ich davon am Bäckerstand berichtete, erinnert sich die Bäckersfrau, daß sie als Kind in Bernburg an einem »Indianerlager« teilgenommen hatte und eventuell auch noch das Stirnband irgendwo in ihrer Sammlung zu finden sein müßte.

Und genau so ein Foto habe ich auch in der historischen Ausstellung im Schloß Bernburg gesehen. Was gab es noch an interessanten Sehenswürdigkeiten? Da wäre eine Fahrt mit einer Kleinbahn zu nennen. Der Rückmarsch dann mit einer Turmbesteigung auf den Keßlerturm. Nach der schönen Aussicht begann die Suche nach dem jüdischen Friedhof. Den Turmwächter danach befragt, korrigiert die Bezeichnung auf »Judenfriedhof«, kann den Weg aber nicht beschreiben. An Hand der Karte konnten wir ihn dann doch noch finden. Eine hohe Mauer und ein verschlossenes Tor verhinderten den Zutritt. Wir fragten die Spaziergänger vor dem Eingang nach den Gründen, denn bisher war uns der Zutritt für jüdische Friedhöfe nie versperrt. Sie antworten mit der Begründung, das es mit dem Vorfall in Halle zu tun hat und immer sehr viel Polizeipräsenz zu verzeichnen ist, wenn etwas auf dem Friedhof passiert. Gefragt, ob sie, weil sie in unmittelbarer Nähe wohnen, auch schon mal auf dem Friedhof waren, hat der Mann bejaht, die Frau hat die Frage mit nein beantwortet!

Weiter ging die kleine Wandertour und führte uns noch zu einer Klosteranlage, im Innenhof fand eine Einschulungsfeier statt. Wir machten kehrt und beenden den ersten Tag mit einem kühlen Bier.

Der zweite Tag führte uns zur Gedänkstätte für die Opfer der NS-“Euthanasie”, die sich auf dem Gelände des Fachklinikum für Psychiatrie befindet. Es war noch etwas Zeit und so beobachteten wir einen Jungen Fuchs, der am heller lichten Tag, ganz locker die Hauptstraße überquerte und seine Runde unbeirrt fortsetzte.

Ein Vortrag eröffnete den Besuch und die Mitarbeiterin gibt einen Überblick zur Geschichte und der unheilvollen Zeit des Nationalsozialismus. Es war für mich ein Déjà-vu, weil ich schon viel über die Vernichtung der Juden und anderer Gruppen gehört hatte, diese aber immer mit den Konzentrationslagern gleichgesetzt habe. Nicht so in Bernburg, hier wurde unter dem Deckmantel der Euthanasie [1] , [2] die Vernichtung der »Unbrauchbaren« in planmäßiger Routine umgesetzt. Im Ergebnis wurden zwischen November 1940 und August 1941 etwa 10000 Menschen aus unterschiedlichen Krankenhäusern und Pflegeanstalten nach Bernburg verbracht und dort vom Transport direkt in die Gaskammer geschickt! Damit nicht genug, wurden später etwa 5000 Häftlinge aus diversen Konzentrationslagern ebenfalls umgebracht.

Die ganze Sache wirkt um so makaberer, weil Bernburg auch als Vorzeige-Stadt, in der Propaganda der Nationalsozialisten, eine wesentliche Rolle spielte.

Was ich vermißt habe, sind Stolpersteine in der Stadt, wie man es aus anderen Städten kennt. Der Umgang mit der “negativen Geschichte” scheint doch recht schwierig zu sein. Es erklärt auch, warum zu DDR-Zeiten Buchenwald ein Thema war, aber Bernburg eben nicht. Diese Betonung einzelner Orte des Grauens, bei gleichzeitigem Stillschweigen zu anderen Orten, ist doch schon bezeichnend.

Dieses Problem wird in der Ausstellung auch thematisiert und Bernburg war nicht die einzige Anstalt, in diesem System.

Eine Tafel in der Ausstellung muss ich dann doch kritisieren. Als Vorreiter der Euthanasie wird der Wissenschaftler Ernst Haeckel zitiert. Ich denke ein einzelnes Zitat kann nicht die ganze Lebensleistung eines Wissenschaftlers aufwiegen, zumal er sich zwar gedanklich mit der Frage auseinandergesetzt, aber nicht die praktische Umsetzung propagiert hat. Nachdem ich eines seiner Bücher (:ref:`Natürliche Schöpfungsgeschichte <20240111T165217>`) gelesen habe, muss ich diese einseitige Zuweisung zurückweisen. Werde aber das viel zitierte Werk »Lebenswunder« lesen und eventuell nochmal einen Kommentar anbringen.

Die Rückfahrt führte uns dann noch kurz ins Schloß Köthen, aber das sollte nochmal eine extra Reise wert sein.

Bildimpressionen#

Schloss: Innenhof

../../_images/innenhof--schloss__bernburg.avif

Schloss: Eingang zum Museum

../../_images/museum--schloss__bernburg.avif

Detail im Schlosshof

../../_images/detail--schloss__bernburg.avif

Gemälder von Anna von Bentheim-Teckelenburg im Museum

../../_images/anna-von-bentheim-tecklenburg.avif

Schloss: Innenhof

../../_images/turm--schloss__bernburg.avif

Hausfassade im Jugendstil

../../_images/bernburg--haus__jugendstil.avif

Keßlerturm

../../_images/kesslerturm--bernburg.avif

Blick vom Keßlerturm

../../_images/kesslerturm--blick-vom__bernburg.avif

Mit der Kleinbahn zum »Paradies«

../../_images/kleinbahn--zum-paradies__bernburg.avif

Haus mit Jugendstilelementen

../../_images/bernburg--haus__jugendstil.avif

Andentanne im Vorgarten

../../_images/andentanne--im__vorgarten.avif

Schutzmaßnahme gegen Pieckser

../../_images/schutzmassnahme--gegen__pieckser.avif

Klosterruine

../../_images/kloster--ruine__bernburg.avif

Blick von der Saale zum Schloß

../../_images/blick--zum__schloss.avif

Weide im Park

../../_images/weide--park__bernburg.avif

Wehr in der Saale mit glatter Kante für den Überlauf

../../_images/wasserkante--wehr__bernburg.avif

Fuchs im Klinikgelände

../../_images/fuchs--im__klinikgelaende.avif

Gedenkstein

../../_images/gedenkstein--gedenkstaette__bernburg.avif

Öffnungszeiten

../../_images/oeffnungszeiten-gedenkstaette.avif

Bild des Malers Heinz Steffens

../../_images/steffen--heinz__bild02.avif

Bild des Malers Heinz Steffens

../../_images/steffen--heinz__bild03.avif

Bild des Malers Heinz Steffens

../../_images/steffen--heinz__bild04.avif

Eine zweite groß Entdeckung war für mich der Maler Heinz Steffens.

Alle Werke können online betrachtet werden [3] . Sein Stil und damit seine Bilder gefallen mir. Die Sonderausstellung ist noch bis zum 15. September im Schloss zu sehen.