Maßstäbe#
Twitter wird stark umgebaut, nachdem Elon Mask vom Kauf nicht mehr zurücktreten konnte. Er muss nun sparen und rüttelt an den Festen eines eingespielten Systems. Hitzige Diskussionen über Redefreiheit, Hassreden u.a. sind in vollem Gange. Hier zwei Zitate aus einer Diskussion im Heise-Forum [1] :
Pseudonym |
Argumente |
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Josef Alisa Preiselbauer |
Soziale Netzwerke sind nicht die Ursache für schlechte Umgangsformen. |
MZC |
Das Internet bietet nun allen Lesern genau die Welt, die sie lesen wollen. Und vor allem: ungestört von Allem, was die eigene Sicht stören könnte. Trump-Wähler schauen FOX, Biden-Wähler halt CNN. |
Die unterschiedlichen Sichten auf die Dinge sind aber gar nicht so neu, wie ein Bericht Fontanes in den »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, belegt [2] :
Der König im großen Verkehr beinahe menschenscheu, war ein
ausgesprochener Kinderfreund. So begegnete er einsmals, während er im
Schloßpark aus einem mit Pflaumen und Weintrauben gefüllten Körbchen
aß, einem Jungen und fragte ihn, ob er wohl eine Pflaume haben wollte.
Der Junge, ein echter Märker, schielte über das Körbchen hin und
bemerkte: »Nee; Plummen hebben wir alleen to Huus; wenn't noch 'ne
Wiendruv' wär.« Der König lachte und gab. -- Einen andern hübschen Zug
erzählt Eylert:
»Hast Du schon mal Ananas gegessen?« fragte der König. »Nee,
Majestät.« -- »Na, dann iß, aber mit Bedacht. Was schmeckst Du
daraus?« Der Junge, an den die Frage gerichtet war, kaute, besann sich
und sagte dann: »Wurst.« Alles lachte. Der König aber bemerkte ruhig:
»So trägt jeder seinen Maßstab in sich. Dem einen schmeckt die Ananas
wie Melone, dem andern wie Birne oder Plflaume, diesem wie Wurst. Er
bleibt in seinem Gefühlskreise.« In den Speisesaal zurücktretend, wo
sich ein Fenster mit vielfarbigem Glase befand, fuhr er fort: »Wer die
Gegenstände draußen durch diese violettfarbige Scheibe anschaut, hält
alles, was er sieht, für violett; so ein anderer alles für grün oder
gelb, ja nach dem Glas, durch das er blickt. Jeder behauptet recht zu
haben, und doch haben alle unrecht und des Wiederspruchs und
Disputierens ist kein Ende. So geht es vor allem den Herren
Theologen. Jeder hat da *sein* Glas.«