Ausgelesen: Phantastik#

Lange stand es im Bücherregal und ich habe es, wie auch andere Bücher, ignoriert und nie angelesen. Nun 40 Jahre später ist die Zukunft schon Realität und Zeit für eine Überprüfung! Der Grund sind zwei Jahreszahlen, zu denen sich die Autoren haben hinreißen lassen. In einer Geschichte wird das Jahr 2013 genannt und in einer anderen das Jahr 2023. Ich stecke jetzt also mitten in der Zukunft, denn wir schreiben das Jahr 2021.

Ich hab mich wirklich schwer getan, aber wenn ich ein Buch anfange lese ich es auch zu Ende (Ausnahmen bestätigen die Regel). Warum? Ich könnte ja einen wichtigen Satz und wenn es nur einer ist, verpassen!

Das Buch ist eine Sammlung von drei Autoren, wobei die erste Geschichte aus dem Jahr 1963 wirklich die schlechteste ist, oberflächlich und ohne eine mitreißende Idee. Das einzig interessante ist die Bezeichnung für einen Gebrauchsgegenstand den wir heute »Smartphone« nennen. Die Autoren haben es 1979 als »Televiofon, Televisiofon oder Videofon« bezeichnet. Ein guter Grund auf Wikipedia mal nachzusehen, wann das erste gebrauchsfähige Smartphone allgemein im Gebrauch war. Man muß es so um das Jahr 2005 einordnen. Vorher gab es schon reichlich Mobiltelefone, aber eben ohne Videofunktion. Bemerkenswert auch eine literarische Erfindung von Erich Kästner aus dem Jahr 1931 und damals wirklich Phantastik, die gewählten Worte schon fast hellseherisch gegenwärtig. Mehr dazu auf

https://de.wikipedia.org/wiki/Mobiltelefon

Und noch etwas hat mich die ganze Geschichte hindurch irritiert. Der Hauptheld der Geschichte heißt »Dar Weter« (1963) und ich habe immer wieder »Darth Vader« (1977) gelesen bzw. schoss es mir beim Lesen so durch den Kopf! Zumindest eine phonetisch interessante Verwechslung und Irritation :-) Es bleibt die spannende Frage, ob George Lucas diese langweilige Geschichte jemals gelesen und ihn der Name des Haupthelden zu dem viel bekannteren Namen in seiner Saga inspiriert hat?

Weiter mit dem zweiten Autor Sewer Gansowski, er hat schon interessantere Ideen umgesetzt. Besonders gefallen hat mir die extreme Verlangsamung aller Abläufe, die nahe an der Geschwindigkeit Null lagen, wovon der Held der Geschichte und ein zweiter eher »Antiheld« ausgenommen waren. Eine wirklich interessante Sicht auf das menschliche Handeln.

Brutal auch eine zweite Geschichte, in der Menschen auf der Straße gnadenlos und ohne gefragt zu werden, zu Versuchskaninchen im wahrsten Sinne des Wortes missbraucht werden. Es erinnert mich an das ungefragte Abgreifen von Daten aus den von uns verwendeten Computern oder die Belästigungen mit unerwünschter Werbung. In der Geschichte von 1979 ein unethisches, verabscheungswürdiges Verhalten, das auch heute noch auf seine Ächtung wartet. Mit Ethik-Diskussionen hat man wenigstens begonnen.

Die Geschichten des dritten Autors, Dimitri Bilenkin, waren meist kürzer, jede für sich hat einen interessanten, psychologischen Aspekt. Aus heutiger Sicht und sehr aktuell – die Technikgläubigkeit. In einer der Geschichten wird ein intelligentes Haus beschrieben, das mitdenkt und wenn man so will Gedanken lesen kann, bis die Interpretationen nicht mehr synchron zu den Überlegungen der Besucher im Haus verlaufen und das Haus zu einer Falle wird. Ich muss unwillkürlich an den Hype um die künstliche Intelligenz denken, die sich in weiten Teilen immer noch auf Muster- und Bilderkennung reduzieren läßt. Allein auf diesem Gebiet gibt es jetzt schon dramatische Fehleinschätzungen und -urteile. Mit diesen phantastischen Geschichten ist der Autor schon recht nah an der heutigen Realität.

Gnadenlos versagt haben die Geschichten, die sich auf eine Besiedlung des Mars eingelassen haben. Von touristischen Reisen und der neuen Vegetation auf dem Mars ist noch nicht viel zu sehen. Die ersten Automaten sind zwar schon unterwegs, aber die letzte Rakete, die einmal Menschen dort hin bringen soll, hat den Landetest vor ein paar Wochen nicht überstanden. Menschen auf dem Mars sicher, aber nicht in dem phantastischen Zeitraum von 40 Jahren (Buchdruck bis heute). Gut zu sehen das unsere Prognosen in Sachen Fortschritt immer noch der Realität hinterher hinken.

Damit übergebe ich das Buch der Mülltonne, denn das Papier ist so billig, das es ein Wunder ist, dass das Buch vom Druck bis heute (also die Zukunft) lesbar geblieben ist.

Vielleicht ist ja doch noch jemand neugierig geworden das Buch ist 1979 in erster Auflage auf Deutsch erschienen:

im Verlag Volk und Welt