Ausgelesen – Anna Seghers#

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Anna Segers: Transit
Aufbau-Verlag

1. Auflage 1985

Nach dem Überfall Deutschlands auf die Nachbarländer beginnt eine Fluchtbewegung. Deutsche flüchten auch über Frankreich ins Ausland. Der zermürbende Prozess in den Mühlen der Bürokratie wird skizziert. Man wird den Gedanken nicht mehr los, daß die Bürokratie nicht in Deutschland erfunden wurde, sondern ein universelles Prinzip ist. Auf beiden Seiten wird betrogen, gelogen, geschmiert und die Mühle am Laufen gehalten.

Interessant die Alkoholtage, von denen ich noch nie etwas gehört habe, wenn es in Kriegszeiten zu Versorgungsproblemen kommt, aber nicht nur dann, scheint eine Rationierung ein probates Mittel zu sein, denn statt zu produzieren wird in Kriegszeiten primär zerstört.

Im allgemeinen sind die Aufführungen langatmig und in ewigen Kreisen vollzogene Rituale. Es erinnert aber allzu gut an die bürokratische Maschinerie, durch die in der Jetzt-Zeit, der Flüchtlingsstrom in Europa bzw. Deutschland geleitet wird. Was bleibt, ist die Frage, wieviele von den geschilderten Prozeduren mußte Anna Seghers persönlich durchlaufen? Wieviel vom Text ist erfunden? Sie läßt einen Protagonisten die Kritik an Erfundenem aussprechen (Seite 99).

Was wollte ich tun? Lesen? Das hatte ich einmal getan an einem
ähnlichen leeren Abend. Nie wieder! Ich spürte den alten Unwillen
meiner Knabenzeit gegen Bücher, die Scham vor bloß erfundenem, gar nicht
gültigem Leben. Wenn etwas erfunden werden mußte, wenn dieses
zusammengeschusterte Leben gar zu dürftig war, dann wollte ich selbst
der Erfinder sein, doch nicht auf Papier.

Nach diesem Text wende ich mich nun unumstritten erfundenen Texten zu, aber die sind definitiv älteren Datums und spannender als der »Transit«-Roman.

Wenn auch der Text nicht sonderlich spannend war, so bildet er nun den Auftakt zu einem Kunstprojekt und rückt das Schwarz der Buchstaben in ein hoffentlich farbenfrohes Licht.